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Aktuelles

Benin

Nur 6 Stunden Flug

In nur sechs Stunden Flugzeit, mal abgesehen von der Aufenthaltsdauer beim Zwischenstop, kann man nach West Afrika reisen. West Afrika liegt noch auf unserer Hälfte (also der nördlichen) der Weltkugel, und im Fall von Benin gibt es nicht mal eine Zeitverschiebung. Dennoch, wie bei allen Sechs-Stunden-Reisen, kommt man in einer anderen Welt an.

Ich nahm diese Reise zwischen dem 07.01. und dem 21.01.17 auf mich, um zwei Wochen der Organisation Mercyships bei seinem derzeitigen Einsatz in Benin zu dienen. Los ging es im Allgäu bei eisigen -24 Grad früh am morgen, abends waren es dann ca. 30 Grad und eine gefühlte Luftfeuchte von 90%. Mit mir kamen fünf weitere Freiwillige aus Australien, USA und Deutschland an. Nach einer schnellen Fahrt wurde am Schiff eingecheckt und ab in die Falle. Es war bereits spät in der Nacht, und am Schiff gibt es keinen Alkohol, also auch kein Bier.

Die meisten Freiwilligen verbringen zwischen zwei und vier Monaten an Bord, nur Ärzten sind Kurzvisiten von zwei Wochen erlaubt. Viele bleiben aber auch länger, vielleicht sogar Jahre. Dann ist vielleicht die Unterstützung durch andere notwendig, denn alle Spesen sind selbst zu zahlen, es gibt keinen Sold. Der Chief Medical Officer Dr. Gary Parker, Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurg aus den Vereinigten Staaten lebt mit seiner Frau seit fast 30 Jahren auf dem Schiff. Seine beiden Kinder sind auf dem Schiff geboren worden und zur Schule gegangen.

Die Ankunft

Montags begann dann das medizinische Abenteuer auf der Afrika Mercy, dem weltweit größten Krankenhausschiff, das privat organisiert ist, und sich nur über Spenden und Freiwilligenarbeit finanziert. Zunächst musste ich das Schiff mit seinen sieben Etagen zuzüglich dem Sonnendeck kennenlernen. Dann folgen die unterschiedlichen Briefings, die immer spezieller auf die kommende Arbeit vorbereiten. Schließlich stand ich vor dem OP-Eingang. Hier habe ich dann meinen Partner für die nächsten zwei Wochen, Dr. Leo Cheng aus London, kennengelernt. Zwei kleinere Eingriffe an diesem Tag spiegelten ruhige Verhältnisse vor.

Das Screening

Am nächsten Tag änderte sich das grundlegend. Es stand zwar kein OP-Tag an, dafür aber der sogenannte Screening-Day: hier findet die Untersuchung und Planung der voruntersuchten Patienten statt. Dieser Tag war zurückblickend der schwierigste Tag für mich. Leo und ich hatten ca. 30 Patienten gesehen, von denen nicht einer in einer Ambulanz in der wesentlichen Welt auftauchen würde, weil es derartige Ausprägungen von gutartigen (!) Tumoren, Fehlbildungen oder Funktionseinschränkungen hier einfach nicht gibt. Das von uns zusammengestellte OP-Programm an diesem einen einzigen Tag (wie gesagt, gerade einmal knapp 30 Patienten), das war Leo und mir schnell klar, konnten wir unser Zeit in Benin unmöglich schaffen. Es blieb was für unsere Nachfolger übrig.

Das Krankenhaus

Am nächsten Tag begann dann das straffe OP-Programm welches bis zu unserer Abreise nicht abebbte. Zeitweise operierten wir bis abends um sieben. Auf der Afrika Mercy gibt es fünf OP-Räume, die allesamt dem Standard der ersten Welt entsprechen. Während ein OP immer als Notfallraum freibleibt, sind die anderen den wichtigsten Fachrichtungen, die es am Schiff gibt, zugewiesen: Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie,, Plastische Chirurgie, Augenheilkunde sowie Chirurgie (Allgemeine, Gynäkologie, Orthopädie).
Es gibt wie in jedem Krankenhaus einen Aufwachraum, eine Intensivstation mit Isolierbetten und fünf Stationen. Daneben natürlich alles andere was man so braucht, also eine Apotheke, eine Röntgeneinheit mit CT und DVT, die Instrumentenaufbereitung und, und, und. Und es gibt unheimlich viele nette, freundliche, hochmotivierte und hochqualifizierte Menschen dort.

Die Gemeinschaft

Das eigentlich tolle ist das Zusammenleben und –arbeiten der Mercyships Gemeinschaft, auch über das Krankenhaus hinaus, das lediglich ein Deck umfasst. Die Menschen kommen aus aller Herren Länder, zweitweise waren die sieben Teammember in unserem OP aus sieben unterschiedlichen Ländern: Norwegen, Schweden, Holland, Deutschland, England, Nordirland und USA. Das was alle mehr oder weniger verbindet ist ein gewisser christlicher Glaube und der Wunsch den Ärmsten der Armen Hoffnung und Hilfe zu bringen. So vergehen die zwei geplanten Wochen wie im Flug. Es erfolgt die Übergabe an die nachfolgenden Kollegen, die sich der nicht enden wollenden Aufgabe weiter stellen werden.

Benin

Während der zwei Wochen des Aufenthalts bleibt wenig Zeit das Land, die Beninis kennenzulernen. Auch, weil immer ein Arzt am Schiff bleiben muss – zur Notfallversorgung. So konnte ich nur einen kurzen Ausflug in den Stelenort Ganvie, der im Lac Nokoué liegt, unternehmen. Dieser Ort wurde vor ca. 300 Jahren zum Schutz vor Versklavung gegründet, da die Peiniger auf Grund eines Voodoo-Fluches nicht über das Wasser fahren durften. So waren die Menschen in Ganvie, das heute 20.000 Menschen zählt, sicher. Andere Ausflüge zeigten aber auch die häßlichen Seiten der Armut: Slums, die auf Müll gebaut wurden, in den Schweine die Reste suchen und Babys nebendran im Dreck spielen. Neben dem Fleischer liegt eine tote Ratte im Sand und Fliegen sind mal hier und mal dort. Das Lächeln fällt an diesen Orten den Einheimischen deutlich leichter als uns Gästen. Abends ist man froh, wenn man wieder nach einer sauberen Dusche an einem Tisch sitzen darf, und Wasser aus dem Hahn trinken kann – schmeckt zwar etwas nach Chlor, aber macht nicht krank.

Der Weg des Schiffes

Das Schiff bietet für viele Menschen in Benin, in dem ca. 9 Mio. Menschen von weniger als 2$ am Tag leben müssen, eine medizinische Versorgung, die es sonst im Land nicht gibt. So gibt es derzeit in Benin keinen einzigen Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgen. Die reicheren Bürgen fliegen bei Beschwerden in die Elfenbeinküste. Neben der unmittelbaren Hilfe am einzelnen Patienten erfolgt die Fort- und Weiterbildung des medizinischen Personals vor Ort. Denn Das Schiff ist nicht umsonst ein Schiff. Zumeist nach neun Monaten wird der Hafen, und damit auch das Land, gewechselt. Das nächste Mal wird die Afrika Mercy wahrscheinlich erst nach sieben oder acht Jahren vorbeikommen. Solange müssen die meisten Menschen dieses auf Platz 166 der HDI-Liste (human development index) stehenden Landes ohne diese hochqualifizierte Versorgung auskommen. Für die Afrika Mercy geht es im Herbst 2017 weiter nach Kamerun. Das Projekt ist einzigartig, gigantisch und großartig, und dennoch nur ein Tropfen auf den heißen Stein.

Mercyships

Mercyships ist eine große Organisation. So groß, dass es für ein neues Schiff reicht, die Atlantik Mercy. Dieses Schiff soll 2019 seinen Dienst aufnehmen und wird dann über fast die doppelte Kapazität verfügen. Auch für dieses Schiff gibt es schon einen Einsatzplan. Die Atlantik Mercy wird dann der zweite Tropfen auf den heißen Stein sein.

Man kann dieser Organisation nur wünschen, dass es immer genug Freiwillige gibt die dort ein paar Wochen, Monate oder Jahre verbringen um zu helfen - und dass es viele gibt, die dieses Projekt finanziell unterstützen.

Um es mit Gary Parkers Worten zu sagen: Du kannst nicht allen gleichzeitig helfen, aber dem Ersten, dann dem Nächsten, und dem Nächsten und so weiter... Denn damit die Hoffnung in der Zukunft greifbar werden kann, muss sie in der Gegenwart glaubhaft sein.

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